Anfang Februar 2023 schickte der ADFC Kreis Harburg einen Fragenkatalog zum Stand der Radschnellweg-Planung an Parteien, Politiker*innen und Verwaltungen im Landkreis Harburg. Hintergrund der Anfragen war die Entscheidung des Kreistages, Trassenbündnisse nicht weiter zu verfolgen.

Stellungnahme vom ADFC

Leider erhielt der ADFC in den vergangenen 2 Monaten nur 4 Rückmeldungen vom Landkreis Harburg, der CDU Niedersachsen sowie aus Tostedt und Neu Wulmstorf. Der ADFC bedankt sich insbesondere beim Landkreis Harburg und der Samtgemeinde Tostedt für die ausführliche Beantwortung der Fragen. Von den Städten Buchholz und Winsen, sowie von den meisten Parteien erhielt der ADFC keine Rückmeldung. Die wenigen Antworten bestätigen jedoch, was sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat: Politik und Verwaltungen bekunden zwar immer wieder ihr Interesse an Radschnellwegen, doch eine konkrete Umsetzung ist nicht geplant.

Die Machbarkeitsstudien liegen seit teilweise 1,5 Jahren vor. Bei anderen Straßenbauprojekten wäre längst eine Entscheidung für oder gegen den Bau getroffen worden. Der ADFC fordert den Kreis Harburg, das Land Niedersachsen und die Gemeinden und Städte auf, koordiniert und zügig mit den Planungen zu beginnen. Ein Flickenteppich aus einzelnen lokalen Maßnahmen ist nicht zielführend, um ein ganzheitliches Radwegenetz in der südlichen Metropolregion Hamburg aufzubauen.

Bisher hat kein Gremium in den betroffenen Kommunen und im Landkreis Harburg einen Beschluss gefasst, der auf eine Fortsetzung der Radschnellweg-Projekte abzielt. Der Kreis Pinneberg ist diesbezüglich sehr viel weiter. Es wurde durch den Kreis, das Land Schleswig-Holstein und die Stadt Hamburg im Frühjahr 2022 ein Letter of Intent verabschiedet, nachdem ein Kreistagsbeschluss gefasst wurde, der eine Umsetzung wünscht und die Bildung von Trassenbündnissen vorsieht. Die Machbarkeitsstudie für den Kreis Pinneberg wurde zusammen mit den Studien für die Korridore nach Lüneburg und Stade veröffentlicht.

Ebenfalls beginnen bereits in der südlichen Metropolregion erste Baumaßnahmen. In Hamburg entstehen Velorouten und der Teilabschnitt des Radschnellwegs durch Wilhelmsburg hat bereits einen Förderbescheid vom Bund erhalten. Im Landkreis Lüneburg wurde der Radweg zwischen Bardowick und Ochtmissen ausgebaut.

Wenn der Landkreis Harburg nicht zeitnah ähnliche Schritte einleitet, wird eine tatsächliche Umsetzung der Radschnellwege zunehmend unwahrscheinlicher. Die bisher aufgebrachten finanziellen Mittel für Machbarkeitsstudien und Beteiligung der Öffentlichkeit wären damit verloren, ebenso die Versprechungen der Politik für eine Verkehrswende.

Antworten im Wortlaut

Landkreis Harburg

Frage 1: Auf welchem Stand befinden sich die Planungen und Beteiligungen zur Umsetzung der Radschnellwege im Landkreis Harburg?

Für die Realisierung des Radschnellwegs Stade-Hamburg hat der Lückenschluss zwischen der Hansestadt Buxtehude und der Gemeinde Neu Wulmstorf aus Sicht der Landkreise Stade und Harburg hohe Priorität. Da dieses Kernstück der Vorzugstrasse das FFH-Gebiet „Moore bei Buxtehude“ durchquert, standen in den vergangenen Monaten naturschutzrechtliche Fragen im Vordergrund. Ein kategorischer Stopp der Überlegungen zum Radschnellweg bereits zum jetzigen Zeitpunkt konnte verhindert werden, so dass die Planungen durch den federführenden Landkreis Stade fortgesetzt werden.

Der Radschnellweg Lüneburg-Hamburg wurde in den beteiligten Gemeinden vorgestellt, und die Landkreisverwaltung steht in engem Kontakt mit den Gemeindeverwaltungen. Es sind jedoch noch viele Fragen zu klären, unter anderem für die Streckenabschnitte, die dem Harburger Deichverband gehören. Unter anderem in Winsen bedarf es weiterer Abstimmungen zur Festlegung der Weiterführung der Route im Landkreis Lüneburg.

Beim Radschnellweg Tostedt-Hamburg geht die Landkreisverwaltung davon aus, dass dieser im Bezirk Harburg nicht prioritär behandelt wird. Vielmehr haben die Streckenabschnitte zu den beiden anderen Schnellwegen Vorrang. Zudem ist die Vorzugstrasse noch nicht final mit der Gemeinde Seevetal abgestimmt. Die Planungsüberlegungen für dieses Projekt werden derzeit nicht forciert, zumal der Kreistag im Dezember 2022 die Intensivierung der Arbeiten an der Trasse Tostedt-Hamburg abgelehnt hat. Dennoch bleibt die Landkreisverwaltung im Dialog mit den beteiligten Kommunen.

Da weder vom Kreistag noch den Kommunen Beschlüsse über eine Einleitung konkreter Planungsschritte zur Umsetzung von Radschnellwegen getroffen wurden, handelt es sich bei den derzeitigen Aktivitäten um informelle Abstimmungen.

Darüber hinaus läuft seit Sommer 2022 das Leitprojekt „Das Radschnellnetz der Metropolregion Hamburg: Wege in die Umsetzung“. Der Landkreis engagiert sich dabei in mehreren Arbeitsgruppen:

  • Eine AG begleitet die von einem Planungsbüro zu erstellende Nutzen-Kosten-Analyse, die für den Erhalt von Fördermitteln von zentraler Bedeutung ist. Dabei werden u.a. mittels eines Verkehrsmodells die Potenziale im Radverkehr prognostiziert und dieser Nutzen den zu erwartenden Kosten gegenübergestellt.
  • Die AG Bürgerinformation organisiert einen Experten-Workshop mit dem Ziel, ein umfassendes Informations- und Kommunikationskonzept für die kommenden Umsetzungsphasen der Radschnellwege zu erstellen. Dabei sollen verschiedene, derzeit in der Erarbeitung befindliche Kommunikationsmittel (z.B. Personas, Fotos, Video) zum Einsatz kommen.
  • Eine weitere AG beschäftigt sich mit sog. identifikationsstiftenden Elementen, die im Zuge der Radschnellwege modular eingesetzt und ggf. für den konkreten Einsatz vor Ort angepasst werden können (z.B. Witterungsschutz, Reparaturstationen, Informationsstelen).
  • Die AG Trassenbündnisse erstellt Mustervorlagen für Vereinbarungen zwischen Planungsträgern und weiteren Beteiligten, um die Kooperation baulastträgerübergreifend verbindlich zu regeln.

Frage 2: Am 19.12.2022 hat sich der Kreistag gegen eine Intensivierung der Planungen und Trassenbündnisse entschieden. Wie planen Sie die zwischengemeindliche Kooperation ohne zentrale Unterstützung vom Landkreis?

Ihre Frage nimmt Bezug auf die Vorlage VA0152/2022, welche einen Antrag der Gruppe Grüne/Linke zum Bau der Brücke über die Bahnstrecke Hamburg-Bremen im Zuge der K54 („Bendestorfer Straße“) zum Gegenstand hatte. Hier standen die zwei folgenden Punkte zur Abstimmung:

  • Die Fundamentierung der Brücke und der östlichen Böschung sollte nach Möglichkeit so erfolgen, dass ein späterer Durchstich für den Radschnellweg als Planungsoption erhalten bleibt.
  • Die Planungen für den Radschnellweg Tostedt – Hamburg werden intensiviert, indem mit den tangierten Gemeinden Gespräche mit dem Ziel einer Art „Trassenbündnis“ geführt werden.

Der erste Punkt wurden vom Kreistag angenommen, der zweite Punkt abgelehnt.

Die Kreisverwaltung sieht in dem Beschluss, entsprechend der Ausführungen im Antrag, die Entscheidung, die weitere Planung des Radschnellwegs Tostedt – Buchholz – Hamburg nicht im Zusammenhang mit dem Brückenneubau zu behandeln. Der Antrag bezog sich auf Inhalte der Planungsvereinbarung zwischen Stadt und Landkreis zum Brückenneubau. Die Planung des Radwegs ist somit weiterhin getrennt zu betrachten. Der Beschluss wird jedoch nicht so weitgehend gesehen, dass damit jede Art von Zusammenarbeit oder Beteiligung des Landkreises an Radschnellwegen abschließend behandelt worden ist.

Einzelne Teilabschnitte der Radschnellwege lassen sich isoliert betrachten. Hier können Bestandswege unabhängig von anderen Maßnahmen ertüchtigt werden. Dementsprechend steht es jedem Baulastträger frei, in eigener Zuständigkeit, bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssituation für Radfahrende zu ergreifen. Sollten Kommunen auf den Landkreis zugehen, um (Teil-)Abschnitte gemeinsam zu überplanen, oder ergeben sich aus den informellen Gesprächen konkrete Projektideen für gemeinsame Bauvorhaben, wären dazu Planungsvereinbarungen notwendig. Der Kreistag müsste der generellen Aufnahme von entsprechenden Verhandlungen zustimmen und müsste dann auch der mit Kostenteilungen und Zeitplanung hinterlegten Vereinbarung zustimmen.

Frage 3: Welche nächsten Schritte sind notwendig zur tatsächlichen Umsetzung der Radschnellwege?

Derzeit obliegt der Neu- bzw. Ausbau von Radwegen zu Radschnellwegen den jeweiligen Straßenbaulastträgern, also den Städten, Gemeinden, dem Landkreis und dem Land Niedersachsen.

Der Landkreis Harburg wird die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie, soweit Kreisstraßen betroffen sind, bei der Fortschreibung des Bauprogramms in bedarfsgerechter Form berücksichtigen und dem Kreistag entsprechend zur Abstimmung vorlegen.

Über konkrete kommunale Planungsschritte, die im Zusammenhang mit den Machbarkeitsstudien stehen, ist dem Landkreis nichts bekannt. Allerdings ist bekannt, dass die Stadt Winsen die innerstädtische Fahrradroute „WL1“ entwickeln möchte. Diese ist in Abschnitten auch Teil der Vorzugsroute des Radschnellwegs Lüneburg-Hamburg. Inwieweit hier Erkenntnisse und Empfehlungen der Machbarkeitsstudie einfließen, bleibt abzuwarten.

Sie können erkennen, dass die Landkreisverwaltung stetig daran arbeitet, die Realisierung der projektierten Radschnellwege voranzubringen. Dabei gehen wir projektspezifische Hindernisse gezielt an und werden auf unterschiedlichen Ebenen parallel aktiv.

Tobias Schmauder
Landkreis Harburg, S 03 Kreisentwicklung / Wirtschaftsförderung, Radverkehrskoordination

Tostedt

Frage 1: Auf welchem Stand befinden sich die Planungen und Beteiligungen zur Umsetzung der Radschnellwege in der Samtgemeinde Tostedt?

Im Maßnahmensteckbrief zu Tostedt #1 (vom Kaufhaus Bade bis zum zukünftigen Kreisel / Feuerwehrgelände) wird seitens der Gemeinde Tostedt zurzeit der Bebauungsplan Nr. 67 „Kreisverkehrsplatz B75/L141/K57“ aufgestellt. Dabei werden ebenso die Planungen der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) zur Sanierung der B75 berücksichtigt. Laut Auskunft der NLStBV darf es in diesem innerörtlichen Abschnitt zukünftig keinen straßenbegleitenden Zweirichtungsradweg entlang der B75 mehr geben. Dadurch wird die Radverkehrsführung im Ortskern deutlicher und die Sicherheit der Radfahrenden erhöht.

Die Machbarkeitsstudie im Abschnitt der Samtgemeinde Tostedt wurde der Arbeitsgruppe Radverkehr in der Gemeinde Tostedt am 25. August 2022 vorgestellt. Die Arbeitsgruppe hat sich dafür ausgesprochen, dass im Abschnitt zwischen dem Feuerwehrgelände Tostedt (am zukünftigen Kreisel) bis zur Straße „Dohrener Weg“ die Anlage eines neuen Radwegs auf dem angrenzenden, heute landwirtschaftlich genutzten Grundstück umgesetzt werden soll (vgl. Abschlussbericht Machbarkeitsstudie Seite 35 und Maßnahmensteckbrief zu Tostedt #2). Diese Neubautrasse parallel zum bestehenden Radweg soll bei zukünftigen Bebauungsplänen der Gemeinde Tostedt berücksichtigt werden. Evtl. kann durch die Neubautrasse auch ein „paralleles Einbahnstraßen-System“ realisiert werden.

Frage 2: Wie planen Sie die zwischengemeindliche Kooperation ohne zentrale Unterstützung vom Landkreis?

Die Samtgemeinde Tostedt favorisiert eine gemeinsame Umsetzung des Radschnellweges für den Abschnitt entlang des „Alten Bahndamms“ zusammen mit der Stadt Buchholz (vgl. Maßnahmensteckbriefe zu Tostedt #5 bzw. zu Buchholz #1).

Dieser Streckenabschnitt wird seitens der Samtgemeinde Tostedt als äußerst sinnvoll angesehen.

Frage 3: Welche nächsten Schritte sind notwendig zur tatsächlichen Umsetzung der Radschnellwege?

Aufbauend zu Frage / Antwort 2 sind zunächst intensive Abstimmungen mit der Stadt Buchholz notwendig und erforderlich. Die Samtgemeinde Tostedt wird die Initiative hierzu ergreifen.

Dr. Peter Dörsam
Bürgermeister der Samtgemeinde Tostedt

Neu Wulmstorf

Ich gehe nicht davon aus, dass dieser Grundsatzbeschluss eine Auswirkung auf unser Projekt hat.

Die Trasse hat eine Länge auf unserem Gemeindegebiet von 300 Metern, wir sind in Kontakt mit dem LK Stade und viel wichtiger für eine fahrradfreundliche Infrastruktur wird es sein, dass wir den Lückenschluss an der Bahn hinbekommen (ob mit oder ohne Radschnellweg).

Aber auch dafür sind wir in dem Zusammenhang im Austausch.

Tobias Handtke
Bürgermeister der Gemeinde Neu Wulmstorf

CDU Niedersachsen

Nach gemeinsamer Prüfung der Sachlage kommen wir zum Ergebnis, dass Ihre Fragen zu den Radschnellwegen im Landkreis Harburg der Zuständigkeit halber durch die Verwaltung des Landkreises und ergänzend durch die CDU-Kreistagsfraktion beantwortet werden sollten. Grundsätzlich fördert das Land Niedersachsen seit einigen Jahren derartige Radschnellwege. Die vorhandenen Haushaltsmittel des Landes wurden oft nicht ausgeschöpft. Es bedarf aber stets einer regionalen Kofinanzierung durch die kommunalen Träger des Vorhabens. Das zwei Landkreise betreffende Vorhaben beispielsweise bei Neu Wulmstorf stößt zudem auf naturschutzrechtliche Widerstände. Auch diese müssten zwischen den Landkreisen erörtert und gelöst werden. Als CDU-Landtagsabgeordnete unterstützen wir dennoch uneingeschränkt die für unsere Region denkbaren Projekte.

Michael Wildemann
Wahlkreisbüro Dr. Bernd Althusmann MdL

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